Chronik
Zur Geschichte des Bürgerschützenvereins Capelle
Zitiert von Werner Steinhoff (Frühjahr 1990)
Wenn ein Verein ein Jubiläum feiert, so ergibt es sich, nicht nur die Gegenwart zu betrachten und in die Zukunft zu blicken, sondern auch ein besonderes Augenmerk auf die Vergangenheit zu richten.
Bevor wir jedoch abrissartig die Geschehnisse im und um den Capeller Schützenverein beschreiben, sollte man einen kurzen Ausflug in die Geschichte des Schützenwesens im allgemeinen unternehmen.
Wie war es in früherer Zeit in Westfalen und im Münsterland hierum bestellt?
Wenn auch die Anfänge des Schützenwesens in Westfalen – wie überhaupt in den deutschen Landen – sich im Dunkel der Geschichte verlieren, so läßt sich doch einiges hierüber sagen. Joseph Prinz stellte schon im Jahre 1953 folgendes fest (J. Prinz: Aus der älteren Geschichte des westfälischen Schützenwesens, in Westf. Heimatbund (Hg.): Westfälsiches Schützenwesen. Beiträge zur Geschichte und zum Brauchtum der Schützengesellschaften Westfalen, o.O. 1953):
„Halten wir uns an das, was die geschichtlich einwandfreien Quellen des Mittelalters über das
Schützenwesen unserer engeren und weiteren westfälischen Heimat zu berichten wissen, so stoßen wir
gleich auf zwei, von Anfang an voneinanderder unabhängige oder doch nur geringe Berührungen
zueinander aufweisende, nebeneinander herlaufende Entwickungslinien. Die eine erwächst in der Stadt, die
andere verläuft auf dem Lande. Trotz aller eigenständiger und besonderen Entwicklung haben das
Schützenwesen in der Stadt und das auf dem Lande aber etwas sehr Wesentliches und Grundlegendes
gemeinsam. Beide sind nämlich ihrem letzten Ursprungn nach echte N o t g e m e i n s c h a f t e n ,
aus der zwingenden Not des Alltags und des Lebenskampfes geboren, ganz im Gegensatz zu der
neuzeitlichen Entwicklung des Schützenwesens, bei dem Freude und Festtrubel ganz im Vordergrund
stehen.“
Auf dem Lande finden wir nur sehr selten Nachrichten, die uns von dem Geschehen vor dem 16. Jahrhundert berichten. Seit dieser Zeit, so Joseph Prinz, wurde im Fürstentum Münster offensichtlich in jeder Bauerschaft nach dem Vogel geschossen und dabei ein erheblicher Aufwand betrieben, so daß von der Obrigkeit dagegen eingeschritten werden mußte. Deutlich wurde schon hier erkannt, daß beim Vogelschießen der ursprüngliche Zweck ganz in den Hintergrund trat.
Seit 1649 – nach dem Ende des dreißigjährigen Krieges – wurden wieder Instruktionen erlassen, um eine Aufsicht über das „herumstrolchende Gesindel und die marodierenden Banden“ (Prinz) zu gewährleisten. Die Wehrhaftmachung der Landbevölkerung wurde also wieder in Angriff genommen.
Von dieser Zeit an erfolge im Münsterland erstmalig die Gründung von Schützengesellschaften, die – wie geschildert – die Aufgabe hatten, die bäuerliche Landbevölkerung im Gebrauch der Waffen zu üben.
Im 18. Jahrundert bieten die Schützengesellschaften generell ein recht trübes Bild. In den preußisch regierten Ländern Westfalens lag das Schützenwesen fast völlig danieder, weil die Obrigkeit von einem derartig aufwendigen Treiben nicht sonderlich erbaut zu sein schien. Anders ausgedrückt: „Die preußische Ordnung“ in Person des „Soldatenkönigs“ Friedrich Wilhelm I. war eingekehrt.
Zur Zeit der napoleonischen Fremdherrschaft (1806 – 1813) existierten auf Druck der Besatzer hin seit 1807 keine Schützengesellschaften. Nach den Freiheitskriegen (1813 – 1815) gegen die Korsen kam es dann im Jahre 1815 zur Gründung einer Schützenvereinigung in Capelle.
Unser Dorf hatte zu dieser Zeit 462 Bewohner, es existierten 69 Privathäuser, von denen 10 mit Stroh und Rohr gedeckt waren. Politisch gehörte Capelle in dieser Zeit zum Amt Werne, das zeitgleich einer großen Hungersnot ausgesetzt war.
Nach den Wirren der Besatzungszeit kann man den Mut der Capeller nur bewundern, eine Schützengesellschaft zu gründen und unter Berücksichtigung dieser Tatsachen kann man auch den Text der ersten Plakette von 1815 verstehen, der lautet:
Liebe Eintracht Freude Tugend Treue Freundschaft
An diese Zeichen Brüder muss man uns erkennen
dann kann uns selbst der Tod von Brüder Bund nicht trennen.
Für die Zeit von 1815 – 1908 liegen keine schriftlichen Zeugnisse über die Geschichte der Capeller Schützen vor. Lediglich die Königskette mit ihren Plaketten und die mündlichen Überlieferung verraten uns etwas über das Bestehen der Vereinigung.
1969 schrieb der langjährige Schriftführer des Vereins, Walter Hertz, u.a. folgendes:
„Sich’res Auge, fest das Gewehr, bringt dem Schützen Ruhm und Ehr.“
So steht es in der alten, traditionsreichen Fahne des Schützenvereins Capelle.
Bereits im Jahr 1815 fanden sich einige Männer zusammen,
die den Grundstein für diesen Verein unter dem damaligen Namen
„Schützengesellschaft Capelle“ legten.
Eingraviert ist das Geburtsjahr auf der Gründungsplakette der alten Königskette,
an der sich noch 47 Plaketten befinden, angefangen im Jahre 1815 mit König
Anton Schenckwald. Wenn auch keine Protokollierung dieses Gründungsaktes
mehr nachzuweisen ist, dürften diese, in Metall geschriebenen Worte und
Zahlen wohl als Geburtsurkunde des heute noch bestehenden Schützenvereins
angesehen werden. Dem König Schenckwald und seiner Königen Maria Anna Böhmer
folgten viele Königspaare mit Namen, die es heute in Capelle nicht mehr gibt,
der alten Generation aber noch sehr bekannt klingen.“
Über das Leben und Wirken der Schützen und ihrer Gliederungen sind seit 1908 Protokolle gefertigt. Eine diesem Vorwort anhängende Zeittafel schildert die wichtigsten Ereignisse aus dem Vereinsleben. Eine Bilddokumentation – zusammengestellt von Erich Rinschede – aber auch Berichte und Dokumente ergänzen diese Darstellungen.
Daß sich die Capeller Schützen auch anderen, der Allgemeinheit dienenden Aufgaben gestellt haben, kann man anhand allgemeiner Erfahrungen der Nachkriegszeit feststellen.
Dies waren und sind u.a.:
– Einbindung von Neubürgern in unsere Dorfgemeinschaft
– Pflege der Nachbarschaft durch Teilnahme an den Veranstaltungen befreundeter Vereine
– Gestaltung und Mitwirkung bei den Totengedenk- und Mahnfeiern für die in den Weltkriegen
gefallenen Capeller Bürger
– Erstellung und Pflege des Grabes für vier Kriegstote des zweiten Weltkrieges
– Teilnahme an den Fronleichnamsprozessionen und Unterstützung der Pfarrgemeindefeste
– Herausgabe eines Bildbandes über die Gefallenen und Verstorbenen des I. und II. Weltkrieges
Aufgaben für die Zukunft sollten – neben den bisherigen Tätigkeiten – sein:
– Kritische Traditionspflege
– Weiterhin Integration und Hilfe für neue Bürger
– Zukunftsorientierte Erhaltung des Heimatgedankens unter besonderer Berücksichtigung
und Mitwirkung in den örtlichen Gemeinschaften wie Kirche, Vereinen usw., und zwar
vor allen Dingen durch Einbringen von sinnvollen, d.h. den Themen der Zeit (Naturzerstörung,
Fremdenfeindlichkeit etc.), entsprechenden Gedanken und Vorschlägen.
Diese erste Festschrift seit Bestehen des Bürgerschützenvereins enthält zusätzlich Bilder und Dokumente aus dem Leben anderer – heute nicht mehr bestehender – Vereinigungen in unserem Dorf.
Hierdurch wird eine sinnvolle Ergänzung des bereits vorliegenden Buches über die Ortsgeschichte erreicht.